Texte 


Fabrik der Künste

Oktober 2013 

Der international anerkannte Künstler Hieronymus Proske gibt mit einer WERKSCHAU in der „Fabrik der Künste“, Hamburg, einen Einblick in seine Arbeiten der letzten 15 Jahre. Proske lebt im Landkreis Lüchow-Dannenberg und in Hamburg. Sein Atelier befindet sich aber auf dem Land. Proskes künstlerisches Spektrum hat zwei Hauptthemen: die Landschaft und das Portrait. Unter „Landschaften“ sind durchaus innere und äußere Landschaften zu verstehen. Denn die bloße Abbildung des Gesehenen interessiert Hieronymus Proske nicht. Ihm geht es um das, was sich unter der Oberfläche abspielt. Das, was man unbewusst wahrnimmt oder assoziiert, was – auf die Leinwand gebracht – das Verborgene charakterisiert. Hieronymus Proske zeigt Natur in ihrer unendlichen Vielfalt. In seinen Bildern kann Landschaft eine still ruhende Wasserfläche sein, aber auch die Industrielandschaft des Hamburger Hafens. In anderen Motiven nimmt er uns mit in die Erinnerungen der Kindheit, die für jeden auf seine individuelle Weise abrufbar sind. Das Spektrum seiner Portraits reicht von sensiblen Kinderportraits über Frauenbildnisse bis zu ungewöhnlichen Tierportraits in seltener Erhabenheit. Hieronymus Proske vertraut auf die magischen Möglichkeiten der Malerei: ungewöhnliche Perspektiven, weite Horizonte und ein Quantum Abstraktion. Ebenso verweisen seine Bilder auf die Magie des Lichts. Die Lichtstimmung ist ein zentrales Element in seinen Arbeiten. „Betrachtet man die ausgestellten Werke in ihrer künstlerischen Herangehensweise, so erkennt man über die Jahre die Lust des Malers an Veränderung, an Weiterentwicklung des stilistischen, inhaltlichen und malerischen Repertoires“, schreibt der Hamburger Kurator Claus Friede im Text zur Werkschau. „Dass er viele Jahre als Filmemacher gearbeitet hat, prägt auch heute noch seine Wahrnehmung und seine Arbeitsweise: So wie im Film viel zwischen den Schnitten geschieht, was sich nur im Kopf des Zuschauer abspielt, überlassen auch die Bilder des Künstlers einiges der Interpretation des Betrachters. Vielfach bewegen sie sich am Rande der Abstraktion, sind Verweise auf größere Zusammenhänge“.


Die WELT
Proske Kinderportraits

17. August 2009
von Maria Baufeld

...." Der Autor, Grafiker, Producer und Maler ist ein Multitalent, das sich stets neu erfindet. 2004 stellte Proske eine in seinem Atelier in Dannenberg entstandene Serie mit Tierbildern aus. Nach dem Erfolg von "Animal Secrets" hat sich Proske nun einem neuen Thema verschrieben: Kinderporträts, die er in zweistündigen Sitzungen mit den Kleinen erarbeitet. "Ich versuche, Gefühlen nachzuspüren. Mir macht das Malen von Kindern Freude, weil es mich in Berührung mit meiner eigenen Kindheit bringt. Die Interaktion mit ihnen bringt mich immer auch zu mir selbst", so Proske, der Kinder und Künstler als seelenverwandt ansieht. Die Ausstellung erster Porträts in der Hamburger Galerie Molitoris Anfang des Jahres brachte dem Künstler einen großen Kundenkreis in der Hamburger Gesellschaft, über den er aber natürlich schweigt. 20 % des Erlöses der Auftragsarbeiten spendet Proske dem Förderverein "Klinikclowns"."


SCHÖNHEIT
Zur Renaissance eines Tabu-Begriffs  

Kunstjahr 2004
von Dr. Christine Eichel

Schönheit – Zur Renaissance eines Tabu-Begriffs „Ich denke, dass bei der neuen Documenta die Schönheit dominieren wird“, verkündete Roger M. Buergel, Leiter der Documenta 12. Und verblüffte die Kunstwelt mit der Rehabilitierung eines Begriffs, der aus der ästhetischen Debatte für immer verbannt zu sein schien. Ausgerechnet Schönheit? Ein Begriff für Frauenzeitschriften, Werbespots und marktkompatible Designer, so möchte man meinen. In der Kunst jedenfalls haben wir uns abgewöhnt, Schönheit als Kategorie des Ästhetischen zu benennen. Zu tief sitzt das Misstrauen gegen den schönen Schein, der mit dem kritischen Impuls der Moderne hinweggefegt wurde und seither unter Affirmationsverdacht steht. Wenn er nicht gleich als faschistoid gebrandmarkt wird. Unvergessen ist das Apercu Adornos über die Funktion klassischer Schönheit im Hitler-Regime: „Je mehr in den Kellern gefoltert wurde“, bemerkte Adorno sarkastisch, „desto unerbittlicher wurde darüber gewacht, dass das Dach auf Säulen ruhe“. Wir erinnern uns: Signum der Moderne war das ästhetische Tabu gewesen, die Vermeidung von Schönheit, die Tür und Tor zu öffnen schien für tumben Genuss und unreflektierten Konsum. Stattdessen wurden der Schock, die Hässlichkeit, die Irritation und die Sprödigkeit zum Qualitätsmerkmal avancierter Kunst. Die Affinität der Moderne für das „Ekelhafte und physisch Widerliche“ gar, so Adorno, zeige ein kritisches Motiv, durch das Kunst „Herrschaft verklagt“. Tempi passati? Keine Frage, das Thema Schönheit erlebt zur Zeit eine überraschende Renaissance. Im September erschien Umberto Ecos „Geschichte der Schönheit“, das Berliner Haus der Kulturen der Welt plant für 2005 eine Ausstellung mit dem Titel „Über Schönheit“. Es scheint ganz so, als sei die Moderne ihrer eigenen Vergänglichkeit in die Falle gegangen, als handele es sich nun nur noch um eine kulturhistorische Epoche, die wir als abgeschlossene Phase besichtigen. „Die Moderne ist unsere Antike“, erklärt Roger M. Buergel denn auch und schlägt vor, Schönheit nicht länger als Kampfbegriff zu benutzen. Die Künstler tun das schon lange nicht mehr. Auch wenn eine Transformation des Schönen stattgefunden hat und niemand ernsthaft behauptet, man solle im Stil eines Rubens oder Watteau malen, so lässt sich doch eine Ten-denz verzeichnen, in der das Schöne aus der Tabuzone geholt wird. Das geschieht mit unterschiedlichsten Mitteln. Denn Schönheit, das lehrt uns ein Blick auf die aktuelle Kunstlandschaft, ist eher ein Rezeptionsmodus als eine Gebrauchsanweisung. Was aber auffällt, ist eine Rückkehr zur Figuration und eine Hinwendung zu klassischen Sujets wie Portrait und Landschaft. Maler wie der Berliner Dierk Schmidt oder die Hamburgerin Ergül Cengiz sind Protagonisten dieser Tendenz. Die Tiere und Landschaften des Hamburgers Hieronymus Proske öffnen den Blick für die Ästhetik des Abgebildeten, das erst als Gemaltes seine Vielschichtigkeit, seine Schönheit und auch seine Widersprüche offenbart. Seine Tierportraits beispielsweise bedienen sich der Psychologie und Komplexität von Menschenbildnissen, lassen uns anthropomorphe Befindlichkeiten entdecken. Und seine Wasserbilder beschwören gleichermaßen kontemplatives Verharren wie meditative Gestimmtheit. Selbst wenn die oft erprobte Taktik der Verfremdung favorisiert wird, wie beim Schweizer Rémy Markowitsch, der durchleuchtete Buchseiten fotografiert und so zu aleatorischen Doppelbelichtungen kommt, ist das Ergebnis seltsam schön, wenngleich auch rätselhaft und geheimnisvoll. Was diese Malerei auszeichnet, ist die Abwesenheit von Provokation; und auch Zitat und Ironie, gängige Strategien, mit denen das Schöne Einlass finden durfte in die Moderne und Nachmoderne, sind hier weniger relevant. Simpel sind die Bilder nicht. Genauso wenig wie das, was ihre Betrachtung auslöst. Schon Kant stellte fest, dass die Wahrnehmung von Schönheit nicht einfaches Lustempfinden sei. „Das Wohlgefallen am Schönen“, schreibt er in der ‚Kritik der Urteilskraft’, „muss von der Reflexion über einen Gegenstand abhängen, und unterscheidet sich dadurch auch vom Angenehmen, welches ganz auf Empfindung beruht“. So ist die scheinbar anachronistische Renaissance der Schönheit in der Kunst alles andere als ein Zugeständnis an Dekorationsfreude oder wohl-feilen Marktopportunismus. Sie kündigt ein neues Verhältnis zur Kunst an, die sich nicht in der notorischen Geste des „épater le bourgois“ erschöpft - eine Geste, die längst selbst Konvention geworden ist - sondern genau jenes „interesselose Wohlgefallen“ hervorruft, das uns laut Kant vor einem Kunstwerk verharren lässt. „Lust und Schönheit kommen nicht aus der Agitation, sondern aus der Kontemplation“, stellt Roger M. Buergel fest. So verweigert die Kunst eigensinnig das Diktat der Verweigerung und erhält auch jenseits der Eventkultur wieder eine suggestive Anziehungskraft. Der Sieg des Hässlichen in der Alltagskultur, aller Oberflächenschönheit von Werbewelten zum Trotz, erzeugt offenbar ein tiefes Bedürfnis nach Refugien, in denen wir ohne illusionsselige Verdrängung innehalten und uns daran erinnern, dass Schönheit einst auch Utopie bedeutete, einen ästhetischen Fluchtpunkt in einer verstörenden Welt.  


Verschwommenheit provoziert Erinnerung 

2013
Prof. Claus Friede  

 

Das malerische Repertoire von Hieronymus Proske ist vielfältig. Inhaltlich findet der Betrachter Bilder von Landschaften und Portraits, von Kindern und Jugendlichen. Auf seinen neusten, verfremdeten Werken sind zudem Frauen zu sehen, die sich allein, in scheinbar unbeobachteten Situationen befinden. Auch formal findet sich eine Bandbreite, zwischen Malstilen, fotografischen Auffassungen und vermengten Formensprachen.

Bei eingehender Beschäftigung mit den Werken des Malers fällt auf, dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen dem, was man oberflächlich sehen kann und dem, was sich darunter verbirgt. Eine Landschaft ist bei Hieronymus Proske nie nur das Abbild eines konkreten Ortes, er schafft geistige Räume. Diese wiederum dekliniert er aber nicht durch. Weil er als distanzierter Beobachter auftritt und nicht als Kommentator oder Interpret, entstehen Leerstellen in den Räumen, die von Betrachter gefüllt werden müssen. Damit schärft er Wahrnehmung und fordert unsere kulturellen und persönlichen Erinnerungen ab.

Proske entführt uns in eine Zwischenwelt: Irgendwo hin zwischen dem Heute und dem Gestern. Durch das Erinnern werden wir mit uns selbst konfrontiert, wir gleiten ab in unser eigenes Früher. Das können konkrete Momente als auch indifferente Gefühle sein, die wir mit etwas verbinden, das zurück liegt.

Dieses Phänomen schafft der Maler durch die Anonymität der Personen und unaufdringliche Verschwommenheit in vielen seiner Bilder. Sie suggeriert die zeitliche Entrückung. Der Betrachter entfernt sich aus der messbaren Realzeit und fließt quasi in eine Erlebnis- und Erinnerungszeit. Die kontemplative Ausstrahlung und Unschärfe der Bilder verändert die Fließgeschwindigkeit der Zeit und löst die Personen und Gegenstände auf. Die Verschwommenheit entpuppt sich als ein Vorzeichen des Verschwindens. Wir können aber das Verschwommene durch unsere Erinnerungen vor dem Vergessen retten. 

Wir sehen die Welt nicht mit „unschuldigen“ Augen wie ein Neugeborener, ohne Wissen und Erfahrungen, sondern genau gegenteilig, wir brauchen das Wissen und vor allem unsere gemachten Erfahrungen, um uns den Werken anzunähern und die Räume mit den eigenen Geschichten und Gefühlen zu füllen.

In seinen neuen Arbeiten bedient sich Hieronymus Proske zwar weiterhin traditioneller Mittel der Malerei, er bezieht sich aber stilistisch nun auf eine fotografische, digitale Erscheinung.

Er vollzieht quasi eine Umkehrung der digitalisierten Fotowelt. Das, was in den Fotos noch Pixel waren, wird nun auf der Leinwand zu architektonischen Bildelementen umfunktioniert. Sie haben keinerlei technische Bedeutung mehr, sondern lassen sich ausschließlich künstlerisch erklären. Diese grobe ‚Pixelung’ der geometrisch angedeuteten Einzelelemente erscheint zudem stark vergrößert in einem sonst proportionsgetreuen Bild. Ein Paradoxon. Das sorgt für eine Entrückung und eine Abstraktion. Dazu kommen Linien, verschobene einzelne Bildsequenzen, als ob ein Puzzle nicht ganz korrekt zusammengesetzt wurde oder einzelne Linsen des Kameraobjektivs einen Sprung hätten.

Auch malt er einige Linien so, als ob das Bild eine Faltung, einen Knick hätte ertragen müssen. Wie bei einer Fotografie, die immer mitgetragen wurde und Gebrauchsspuren sichtbar macht.

Bei allen Bildern Hieronymus Proskes bleibt am Ende die Erkenntnis, dass das Jetzt im nächsten Moment schon Vergangenheit ist und Erinnerung provoziert.